Seife anno dazumal

We must not cease from exploration and the end of all our exploring will be
 to arrive where we began and to know the place for the first time. -- T.S. Eliot

Ein kleiner historischer Rückblick - *NICHT*  unbedingt zur Nachahmung empfohlen, da es sich meiner Meinung nach doch um ein etwas ungenaues und zeitaufwendiges Verfahren handelt - UND nirgendwo in der Anleitung steht etwas von einer Schutzbrille !!! =======:-o  Ich habe keines dieser Rezepte ausprobiert und werde es auch kaum tun - dennoch finde ich es faszinierend zu sehen, was sich früher so rund um den bzw. *im* Seifentopf abgespielt hat.

Die folgenden Rezepte stammen aus dem "Rezeptbuch des Alltags" von Dr. Hermann Römpp, 2. Auflage, (c) 1937 by Franckh'sche Verlagshandlung, W. Keller & Co., Stuttgart

Herstellung einer einfachen Haushaltungsseife aus Abfällen: 

Man erwärmt in einem etwa 20 Liter fassenden, eisernen oder emaillierten Kochtopf über einer kleine Flamme 2 Kilo Fett, Talg oder Fettabfälle langsam zum Schmelzen. Schon vorher hat man in 6,6 Liter weichem Regenwasser ein halbes Kilo festes, weißes Ätznatron oder Seifenstein (in Drogerien und Apotheken erhältlich) unter Umrühren mit einem Glasstab aufgelöst. Vorsicht ! Ätzt ! Von dieser Lösung gießt man zunächst etwa 1,5 Liter in das geschmolzene Fett. - Vorsicht ! Gesicht abwenden ! Lauge kann umherspritzen ! 

Sofort nach dem Zugießen wird das Gemisch aus Lauge und Fett mit einem sauberen Holzstab fleißig umgerührt. Während des ganzen, etwa 2 Stunden dauernden Seifensiedens soll die Mischung auf 90 - 100 Grad erhitzt werden. Von Zeit zu Zeit nimmt man mit einem Holzspatel eine Probe aus dem Topf und läßt abtropfen. Sobald diese nur noch gleichmäßig abfließt, nicht mehr abtropft, gibt man weitere 1-2 Liter Lauge in dünnem Strahl (oder mit einer kleinen Gießkanne) unter fortgesetztem Rühren in den Kochtopf. 

Nach einiger Zeit wird die Probe mit dem Holzspatel wiederholt; sobald die "Seife" gleichmäßig vom Spatel fließt, gießt man wieder 1-2 Liter Lauge dazu, bis schließlich die 6,6 Liter Lauge im Kochtopf verschwunden sind. Nach etwa zweistündigem Seifensieden bringt man einen Tropfen des Seifenleims auf eine Glasplatte. 

Entsteht am Rand des Tropfens vor der Erstarrung ein Ring, so ist noch unverseiftes Fett im Kochtopf; man muß in diesem Fall noch etwas Lauge dazugeben. Bildet sich auf der Oberfläche des Tropfens ein Häutchen, so befindet sich die Lauge bereits im Überschuß, und es fehlt an Fett. Sind Fett und Lauge richtig aufeinander abgestimmt und ist die Verseifung vorschriftsmäßig beendet, so bleibt der Tropfen auf der Glasplatte bis zum Erstarren klar stehen. 

Gegen Ende der Verseifung hört auch das Schäumen und Aufwallen des Kochtopfinhaltes auf; man erhält zuletzt eine ruhig kochende Masse, aus der man mit einem Holzstab lange, feine Fäden ziehen kann. Auf diesen "Seifenleim" streut man portionenweise 350 Gramm feinkörniges, klumpenfreies Kochsalz. Es ist unrichtig, alles Salz auf einmal zu verstreuen; man muß vielmehr nach jeder Salzzugabe ein wenig warten, damit sich das Salz in der Masse lösen kann. 

Nachdem man noch einige Minuten unter Umrühren gekocht hat, trennt sich die Seife von der Lauge. Die Seife schwimmt oben; die Lauge enthält Kochsalz, Glyzerin, Laugenreste und Fettverunreinigungen. Man schöpft die oben schwimmende Seife in flache Gefäße, läßt sie dort bis zum nächsten Tag erstarren und schneidet sie dann mit einem Messer in passende Stücke. Zuletzt legt man sie zum Trocknen aus. Aus 2 Kilo reinem Fett erhält man nach diesem Verfahren etwas 3,3 Kilo frische und 2,9 Kilo harte, trockene Seife.

Anmerkung: Originell finde ich die hier zum Einsatz kommende Gießkannne, ansonsten haben wir mittlerweile  genauere Mögichkeiten, die optimale Laugenmenge zu bestimmen. Auch die Heißverfahren für den Hausgebrauch konnten inzwischen dramatisch vereinfacht und verbessert werden. Die absoluten Profis zum Thema "Heißverfahren" sind übrigens auf der Yahoogroups Liste HotSoapEtc zu finden. UPDATE: offenbar ist die Liste weg - naja, kann frau auch nix machen. Dann sehen wir uns ein einfaches Heißverfahren doch mal gemeinsam an, ja ?

Zurück zu den alten Rezepten- manche muten ausgesprochen *abenteuerlich* an  - ich denke, die Seife mit der Formaldehydlösung werden wir überspringen  ===== %-0  ... und wenden uns statt dessen der ebenfalls spannenden "Lösungsmittelseife" zu:

Lösungsmittelseife:

Da ein großer Teil des Schmutzes aus fettigen und öligen Stoffen besteht, versucht man schon seit langem, die Reinigungswirkung der Seifen durch Zusatz von Fettlösungsmitteln zu erhöhen. Von den bekannteren, fettlösenden Flüssigkeiten werden z.B. Tetrachlorkohlenstoff, Trichloräthylen, Benzin, Terpentinöl, Petroleum, Dekalin, Tetralin usw. in manche Seifensorten eingearbeitet. 

Man kann dabei nach folgendem Rezept verfahren: 72 Teile Kokosnußöl werden mit 36 Teilen 32%iger Natronlauge unter Zugabe von 3 Teilen Kochsalz, 2 Teilen Rohrzucker, einem Teil Pottasche und 12 Teilen Wasser verseift. Die Masse wird unter Umrühren so lange auf etwa 60 Grad erhitzt, bis eine herausgenommende Probe als gleichmäßige Schmiere vom Spatel läuft und keine Laugentropfen mehr abgibt. Dann rührt man 9 Teile Tetrachlorkohlenstoff (bzw. Benzol, Trichloräthylen o. a.) in die Seife und läßt erkalten. Derartige Seifen eignen sich zum Reinigen von fettverschmutzten Textilien in heißem Wasser; für die menschliche Haut sind sie wegen der Giftigkeit der Lösungsmittel und der zu starken Entfettung nicht zu verwenden. 

Aber auch schon damals wurden qualitativ hochwertige, kaltgerührte Seifen hergestellt - wenn ich auch den Eindruck habe, dass diese Technik nicht so oft verwendet worden ist.

Hausseife auf "kaltem" Wege: 

Man füllt einen großen Kochtopf 5 bis 10 Zentimeter hoch mit Wasser und hängt in diesen einen kleineren Emaille- oder Eisentopf, der 4 Teile Talg und 6 Teile Kokos- oder Palmkernöl enthält. Dann stellt man das Ganze aufs Feuer und erwärmt das Fettgemisch auf etwa 35 Grad. Hierauf gießt man unter fortgesetztem Umrühren mit einem sauberen Holzstab 5 Teile Natronlauge mit Hilfe einer Gießkanne langsam auf das geschmolzene Fett. Die Natronlauge soll 40 Grad Bé haben; man stellt sie z.B. durch Auflösen von 2 Teilen reinem Ätznatron in 4 Teilen Wasser her. Wenn der Seifenbrei nach fortgesetztem Rühren so dick geworden ist, daß eine herausgenommene und fallengelassene Probe einige Zeit auf der Oberfläche des Breies liegen bleibt (ohne sofort unterzusinken), bringt man den Seifenbehälter in den Backofen des Küchenherds oder an einen andern wamen Platz und läßt ihn etwa 30 Stunden ruhig stehen. Nach dieser Zeit ist eine gute, glyzerinhaltige Seife entstanden. Zur Verseifung auf "kaltem" Wege eignen sich hauptsächlich Kokosöl, Palmöl, Olivenöl und Rizinusöl.

Anmerkung: na, dieses Rezept klingt ja gleich ein wenig besser - erstaunlich nur, das kein Wort über mögliche Duftstoffe für die Seife verloren wird. Außerdem wird nicht erklärt, wie man die so entstandene Seife jemals wieder aus dem "kleineren Emaille- ode Eisentopf" herausbekommt. Früher wurden die Seifenformen ja üblicher Weise mit einem feuchtem Tuch ausgelegt.

Leimseife: 

Man schmilzt 380 Teile Kokosöl und 75 Teile Talg oder ein schmalzartiges Fett im Kessel oder in einem Emaillekochtopf. Wenn der Kesselinhalt 75 Grad warm geworden ist, verrüht man 260 Teile 24%ige Natronlauge (30 Grad Bé) in der geschmolzenen Fettmasse. Noch ehe sich das Fett mit der Lauge verbindet, rührt man 19 Teile Wasser und 82 Teile Natronwasserglas hinein. Dann wird der Kessel zugedeckt und eine halbe Stunde bei ganz schwachem Feuer erwärmt. Nach dieser Zeit erhitzt man stärker und rührt den Kesselinhalt kräftig um. Schließlich ward das Feuer entfertn, und man gibt unter Umrühren 130 Teile 24%ige Natronlauge, 124 Teile Wasserglas, sowei (ganz zum Schluß) 17,5 Teile Salzwasser von 24 Grad Bé in den Kessel. Die Seife wird noch verschiedene Male umgerührt und dann abgekühlt. Leimseifen enthalten viel Wasser; sie sind deshalb nicht so ergiebig wie eine Seife, die nach der ersten Vorschrift hergestellt wurde. Eien Trennung von Glyzerin, Laugenrest, Wasser, Kochsalz und Seife findet bei Leimseifen nicht statt.

Und wenn wir schon dabei sind - das hier habe ich in einem der handgeschriebenen Kochbücher im Familienfundus entdeckt: 

Der besseren Lesbarkeit halber: "Auf 1 kg Fett 1/4 kg Laugenstein, 3 l Wasser langsam 3 Stunden unter ständigem Rühren kochen. 3 dkg Kolofonium wenn vorhanden ist in Pulver, wenn es zum fertig werden ist 3 dkg Salz einrühren und ein paar Minuten aufkochen lassen."

Im Jahre 1900 erschien in Leipzig in vierter Auflage Alwin Engelhardts "Chemisch-technisches Rezeptbuch" - im Verlag vom Otto Spamer. Nachdem sich der Autor unter anderem intensiv der Seifensiederei gewidmet hat, dürfen auch einige Vorschriften für Seifen nicht fehlen - hier ein kleiner Auszug aus dem entsprechenden Kapitel:

Gelbe Wachskernseife (glattgelbe Kernseife)
(Talg mit 30% Harz)

Um eine schöne gelbe Wachskernseife zu erhalten, verfährt man auf dolgende Weise. Man setzt in einen geräumigen Kessel 2000 Kilo Talg an, verseifet diesen mit 15grädiger Lauge, richtet mit 23grädiger Lauge ab und salzt den klaren Leim mit Salz aus.

Inzwischen hat man in einem kleinen Kessel 600 kg helles Harz mit ca. 860 kg 25grädiger Lauge verseift. Wenn die Seife nicht mehr aufstösst, giebt ein Arbeiter den Harzleim nach und nach über den strotzigen Kern, während ein anderer die Seife oberhalb ununterbrochen durchkrückt, ohne aber auf die Unterlauge zu kommen. Nachdem beide Seifen innig mit einander vermischt sind, untersucht man Stich und Druck und setzt etwas Lauge hinzu, falls kein Stich oder Druck vorhanden sein sollte. Ist hingegen die Seife zu scharf, so hilft man mit einigen Kilo Palmkernöl nach und schleift sie damit.

Ist die Seife  zu dick und kernig, so schleift man sie mit etwas heissem Wasser, wonach sie ein honigähnliches Aussehen erhält. Sollte man die Seife aus irgend einem Versehen überschliffen haben, so giebt man unter Durchkrücken etwas heissses 20grädiges Salzwasser hinzu. Die Seife bleibt über Nacht im Kessel stehen und wird dann geformt.

Englische Palmölseife

Zur Darstellung dieser Seifensorte verwendt man Cocosöl, rohes Palmöl und Harz.

Ansatz:  1500 kg Cocosöl,
500 kg rohes Palmöl
400 kg helles Harz

Das Cocosöl und Palmöl bringt man in einen Kessel und versiedet beides mit 1700 kg 28 grädiger Sodalauge von kaustischer Soda, hergestellt, bei schwachem Feuer, bis eine vollständige Verseifung erfolgt ist. Wlährend dieser Operation bringt man in einen anderen Kessel 400 kg helles Harz nebst 400 kg 28 gräd. Lauge und verseift ebenfalls.

Wenn der Leim vom Cocosöl und Palmöl klar ist, so giebt man unter Durchkrücken nach und nach den Harzleim hinzu, wonach die Seife dünner werden wird. Sollte, noch ehe der Seifenleim klar ist, die Seife dick werden oder zusammengehen, so giebt man sofort etwas Harzleim hinzu. Nachdem der Harzleim mit dem Seifenleime zu einem klaren, durchsichtigen Leime verbunden, bez. die Seife vollständig abgerichtet ist, krückt man 150-200 kg kohlensaure 20 gräd. Pottaschelauge hinzu, wonach die Seife ein transparentes Aussehen erhält.

Die Seife ist sehr schön und gut und dürfte daher auch für andere Länder zu empfehlen sein. 

Anmerkung: aufgrund der doch etwas großzügig dimensionierten Zutatenmengen (die noch  dazu teilweise von Tieren stammen) wohl nicht ideal für's Nachsieden daheim - abegesehen davon sollten die Rezepte funktonieren. Für den Hausgebrauch interessanter ist da vielleicht das eine oder andere Seifenpräparat:

Seifenspiritus

Seifenspiritus, oder mit anderen Worten, in Spiritus aufgelöste Seife, dient nicht allein als ein vrorzügles Reinigungsmittel, sondern auch als Einreibemittel für Rückenschmerzen etc.

Man kann den Seifenspiritus auf verschiedene Weise herstellen:

500 g weisse beste Kernseife oder Marseiller Olivenölseife werden fein geschabt und in einer Auflösung von 125 g Pottasche, 1000 g Rosenwasser und 1800 g 88-90 proc. Sprit im Wasserbade langsam geschmolzen und dann mit 18 g Thymianöl, 15 g Lavendelöl und 15 g Kümmelöl parfümirt.

Seife zum Waschen von Wollstoffen etc.

1000 g gute Kernseife werden in 2000 g Salmiakgeist gelöst und bei schwachem Feuer so lange gekocht, bis die Seifenmasse consistent und fest wird. 

Nach oben ] Historische Seife vom Bauernhof ] [ Seife anno dazumal ] Seifenbällle aus alter Zeit ] Seifenkarte von 1919 ]

blumenranke

Aus Zeitgründen ist es leider nicht möglich, alle Anfrage zu beantworten. Ich ersuche dafür um Verständnis.

(c) 2000 - 2015 Claudia Kasper

Inhaltsverzeichnis

Nutzungsbedingungen

zuletzt geändert: Sonntag, 18. September 2016

"Progress is impossible without change, and those who cannot change their minds cannot change anything." -- G. B. Shaw